Wie kommt es, dass Sie nach einer Karriere in einem sehr dynamischen und internationalen Umfeld jetzt hier im sonnigen Andalusien leben?

"Ich habe 25 Jahre in der Film- und Werbebranche gearbeitet. Ich war Line Producer für Werbespots, Spielfilme und Fernsehserien auf der ganzen Welt. Eine sehr interessante und glamouröse Arbeit, aber auch sehr stressig und anspruchsvoll. Einer der Vorteile der Freiberuflichkeit war, dass wir nach jedem Projekt lange Pausen machen konnten, und eine dieser Pausen - eine sehr lange! - war eine einjährige Rückkehr zu unseren Wurzeln in Neuseeland. Übrigens, wussten Sie, dass die Antipoden von Neuseeland Canillas de Aceituno sind? Das habe ich erst kürzlich herausgefunden. Zufall? Wer weiß...

Als wir ein Jahr später nach Madrid zurückkehrten, wo wir beide ursprünglich herkamen, hatten wir das Gefühl, dass die Großstadt nichts mehr für uns war: zu viele Autos, zu viele Gebäude, zu viele Menschen.

Also beschlossen wir, unser Glück in Málaga zu versuchen, das schon immer ein wichtiges Zentrum für die Produktion von Werbespots und Spielfilmen war. Die Axarquía war mir vertraut, ich kannte Torre del Mar, Velèz Málaga, Nerja... aber von Canillas de Aceituno hatte ich noch nie gehört. Als ich den Namen im Internet las, fand ich ihn sehr lustig, und so begann ich meine Suche dort, denn ich wusste, dass wir einen Ort in der Natur wollten, nahe am Meer, aber nicht an der Küste.

Meine Suche war sehr kurz. Ich bin eines Tages bei Sonnenuntergang nach Canillas gefahren, wie man so schön sagt, und habe mich verliebt. Das war vor 21 Jahren und wir sind immer noch verliebt in diesen Ort und seine Menschen.

Zuerst mieteten wir einige Jahre lang Häuser im Campo, in der Nähe von´s Dorf Canillas (de Aceituno), und reisten für die Dreharbeiten hin und her, aber Canillas wurde unser Zuhause. Zwischen den Dreharbeiten kamen wir hierher zurück, um uns zu erholen und Ruhe zu finden. Wir wussten von Anfang an, dass wir dauerhaft in Canillas leben und hier ein Geschäft eröffnen wollten, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen, aber es dauerte eine Weile, bis wir den Weg und den Mut dazu fanden. In der Zwischenzeit arbeiteten wir, reisten, genossen das Leben und hatten Spaß.

Vor 17 Jahren bauten wir unser eigenes Haus, Casa Al Zaytun, so der maurische Name des Dorfes, in dem wir immer noch leben. Vor einiger Zeit haben wir auch ein sehr altes Haus in der Stadt gekauft, 400 Jahre alt... Es war fast eine Ruine, aber wir haben uns wieder verliebt. Wir verbrachten die Zeit der Pandemie zu Hause und es war die Bestätigung, dass all die Entscheidungen, die wir in all den Jahren getroffen hatten, indem wir unserer Intuition folgten, die richtigen für uns waren.

Es ist schwer, das laut auszusprechen, denn für die meisten war der Lockdown hart, aber für mich war es das Paradies. Keine Anrufe, keine Projekte, keine Skripte, nichts... Für mich gab es nur Gartenarbeit, Kochen, Spaziergänge mit San (unserem lieben dreibeinigen Rettungshund) und Töpfern. Mit dem Töpfern habe ich vor einiger Zeit angefangen, ohne zu wissen, dass es meine Leidenschaft und mein Lebensstil werden würde. Während des Lockdowns wurde mir klar, was für ein Glück ich hatte, denn ich hatte bereits das Leben, das ich wollte, das Leben, das wir geschaffen hatten. Ich wusste, dass die Zeit der Dreharbeiten, des Reisens und des Stresses für mich vorbei war, ich hatte alles, was ich brauchte, um in Canillas glücklich zu sein.

Vor zwei Jahren habe ich schließlich beschlossen, aufzuhören und keine Projekte mehr anzunehmen. Wir hatten unser ganzes Leben damit verbracht, Dinge für andere zu machen, für Regisseure, Produzenten... Jetzt war es an der Zeit, es für uns selbst zu tun. Es war die beste Entscheidung, die wir je getroffen haben; es ist wahr, dass es nicht die einfachste ist, was das Geld angeht, aber man lernt, dem Leben zu vertrauen. Wir arbeiten viel, wir lieben, was wir tun, wir organisieren unsere Zeit, wir haben keinen Stress mehr, wir müssen nicht mehr hetzen. Man muss umdenken, lernen, mit weniger und bewusster zu leben. Die Dinge einfacher machen und mehr wertschätzen".

War es einfach, sich einzuleben?

Für uns war es sehr einfach, sich hier einzuleben, die Leute sind sehr gastfreundlich und herzlich. Das Städtchen selbst ist wunderschön, seine Architektur und Geschichte, der Naturpark und die Berge empfangen einen und bringen einen in Kontakt mit sich selbst. Andererseits liegt Canillas nicht mitten im Nirgendwo, sondern ist wirklich gut gelegen, nur 30 Minuten vom Strand und 50 Minuten von Málaga entfernt, so dass Sie entscheiden können, ob Sie allein und still sein wollen oder ob Sie irgendwo ein nettes Abendessen mit sehr interessanten Leuten haben wollen, die Sie hier finden können.

Die Mischung aus Menschen, Kulturen und Nationalitäten macht Canillas zu einem sehr lebenswerten Ort. An einem Tag kann man sich mit einer Frau in der Stadt unterhalten, die noch wie vor 100 Jahren lebt und ihr ganzes Leben lang kaum aus Canillas herausgekommen ist, sie heißt Virginia, und später kann man mit Dänen, Australiern, Belgiern, Niederländern oder sogar Chinesen an einem Tisch zu Abend essen. Es gibt so viele Geschichten zu hören, so viel zu lernen.

Was haben Sie in den letzten Jahren gemacht, gelernt, aufgebaut und welche Pläne haben Sie noch?

Wie gesagt, die Zeit hier war für uns eine lebensverändernde Erfahrung, wir haben so viel gelernt und so viel gemacht. Canillas war für uns sehr inspirierend und ein Ort, an dem alles möglich war. Als wir ankamen, eröffneten wir einen kleinen Laden, in dem wir nur ein Jahr lang Dinge verkauften, die uns gefielen: Bioprodukte, Wein aus der Region, Kerzen...

Nachdem wir unser Haus gebaut hatten, hatten wir zwei getrennte, sehr unabhängige Bereiche, wir wohnten oben und unten haben wir einen schönen Raum geschaffen, den wir an Leute vermieten, die hier Urlaub machen oder von zu Hause aus arbeiten, wir haben Schriftsteller, Dichter, Filmregisseure beherbergt... Immer nette Leute auf der Suche nach Ruhe, Natur und lokalen, authentischen Erlebnissen.

Jetzt renovieren wir das sehr alte Haus, das wir in der Stadt gekauft haben, ein Ort voller Geschichte und Charme. Casa Alzaytun pueblo wird ein Keramikladen mit zwei andalusischen Innenhöfen und zwei Mietwohnungen. Außerdem haben wir eine Keramikwerkstatt im Dorf, in der wir unsere eigenen Arbeiten herstellen, wie die Fliesen für das Haus, das wir renovieren, die Waschbecken, Spülbecken, Lampen und so weiter.

Ich stelle auch Keramikarbeiten her, die ich verkaufe: Tassen, Teller, Schalen, Krüge, Vasen. Ich verwende viele verschiedene Techniken, vom Drehen auf der Scheibe bis zum Pressen von Töpfen, der Herstellung von Platten oder Formen. Und ich stelle meine eigenen keramischen Glasuren her, was mich dazu gebracht hat, wieder Chemie zu studieren.

Seit kurzem verkaufe ich meine Arbeiten auch in einigen schicken Läden in Madrid. Und natürlich ist unser Atelier der Treffpunkt für die Keramik-Workshops und einige andere Gruppenerlebnisse wie Naturkosmetik oder Kerzenziehen. Wir befinden uns in einem wunderbaren und erstaunlichen Lern- und Lebensprozess, in dem wir tun, was wir wollen, wo wir wollen, umgeben von einer unglaublichen Gemeinschaft von Menschen, die uns unterstützen und ermutigen.

Welche Ratschläge würden Sie Menschen geben, die sich auch nach einem "anderen" Leben in einer natürlichen Umgebung sehnen?

Es ist nicht einfach, allgemeine Ratschläge zu geben. Was für den einen funktioniert, kann für den anderen nicht funktionieren. Folgen Sie Ihrem Instinkt. Der verrückte Lebensstil in den Großstädten und die langen Arbeitszeiten führen dazu, dass wir unsere Intuition vergessen, aber sie ist immer da, wir müssen nur darauf hören. Lassen Sie Ihre Vorurteile und Ängste hinter sich und vertrauen Sie den Menschen und dem Leben.

Sie müssen sich ein wenig anstrengen: Lernen Sie die Sprache, die Menschen vor Ort sind bereit, Ihnen zu helfen und mit Ihnen zu sprechen. Es wird einen großen Unterschied machen, wenn Sie verstehen und kommunizieren können. Andernfalls werden Sie denken, dass sie Sie betrügen wollen, und das sind die Vorurteile, die ich bereits erwähnt habe. Lesen Sie über die andalusische Geschichte, um die Lebensweise und die Kultur hier zu verstehen. Mischen Sie sich unter die Einheimischen und unterstützen Sie die lokalen Geschäfte, beobachten Sie, genießen Sie und urteilen Sie nicht.

Cristina & Javier